Interaktionen mit pflanzlichen Präparaten/NEM
Meine Patientin nimmt verschiedene freiverkäufliche Präparate ein und soll mit einer oralen Tumortherapie therapiert werden. Wo findet man valide Informationen zum Interaktionspotential pflanzlicher Präparate und anderer Nahrungsergänzungsmittel?
Sofern es sich bei den pflanzlichen Präparaten um Arzneimittel handelt, sind sie meist in den gängigen Interaktionsdatenbanken gelistet. Wird dort keine Interaktion angezeigt, bedeutet das jedoch nicht zwangsläufig, dass keine Interaktionen mit oralen Tumortherapeutika zu erwarten sind. Häufig liegt es vielmehr an einer unzureichenden Datenlage.
Einige pflanzliche Arzneimittel unterliegen keiner Zulassung, sondern lediglich einer Registrierung – dies kann man an Formulierungen wie „traditionell angewendet bei…“ erkennen. Im Gegensatz zu zugelassenen Arzneimitteln sind für registrierte Produkte keine Studien zum Interaktionspotentials erforderlich.
Noch unzureichender ist die Datenlage bei Nahrungsergänzungsmitteln (NEM), die rechtlich als Lebensmittel eingestuft werden. Für diese ist weder ein Wirksamkeitsnachweis noch eine Untersuchung möglicher Interaktionen vorgeschrieben.
Interaktionen, die unserer Erfahrung nach häufig dazu führen, vom Einsatz pfanzlicher Arzneimittel oder NEM abzuraten, sind u.a.
- CYP450-Interaktionen: u.a. Johanniskraut, Grapefruit-Extrakte, Grüntee-Extrakte (EGCG), Curcumin (insb. hoch dosiert und/oder mit Piperinzusatz zur Verbesserung der Bioverfügbarkeit), Schisandra chinensis
- Hepatotoxische Effekte: u.a. Kava-kava, Schöllkraut, flüssige Auszüge mit hohem Alkoholgehalt → additiven Effekte mit potentiell hepatotoxischen Tumortherapien bedenken!
- Risiko einer erhöhten Blutungsneigung: u.a. Ginkgo, bestimmte „Heilpilze“ (z.B. Reishi, Grifola), Rosskastanien-Extrakte → insb. relevant bei gleichzeitiger Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern, Antikoagulantien und/oder bei Tumortherapie-induzierter Thrombozytopenie
- Weitere pharmakodynamische Interaktionen: u.a. Wirkverstärkung von Fluoropyrimidinen wie Capecitabin durch Folsäure / Folinsäure, die in Multivitaminpräparaten oder als Zusatz in Lebensmitteln enthalten sein kann
Diese Aufzählung ist nicht vollständig, es handelt sich lediglich um eine Auswahl häufiger Interaktionen bzw. Präparate.
Valide Informationsquellen zum Interaktionspotential pflanzlicher Präparaten und NEM
- About Herbs, Memorial Sloan Kettering Cancer Center
- CAM Cancer, Norway’s National Research Center in Complementary and Alternative Medicine
- Onkopedia-Leitlinie Komplementäre und alternative Therapieverfahren, Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO)
Unabhängig vom Interaktionspotential sollte stets auch die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit von NEM hinterfragt werden. Vielen Patientinnen und Patienten ist nicht bewusst, dass für diese Produkte kein Wirksamskeitsnachweis erforderlich ist und dass auch „natürliche“ Präparate mit Risiken verbunden sein können. Zudem können die mitunter hohen Kosten eine vermeidbare finanzielle Belastung darstellen.
Evidenzbasierte Informationen zu Nutzen und Risiken solcher Produkte finden Sie z.B. in der S3-Leitlinie ‚Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen‘. Weitere Quellen zu diesem Thema finden Sie außerdem in unserer Infothek im Abschnitt Komplementärmedizin.
Quelle:
About Herbs. Memorial Sloan Ketterin Cancer Center. Zugriff: 02.07.2025. https://www.mskcc.org/cancer-care/diagnosis-treatment/symptom-management/integrative-medicine/herbs/search