Antiemese orale Tumorthearpie, Übelkeit und Erbrechen, Antiemetika

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Antiemetika und QT-Intervall-Verlängerung

Welche Antiemetika sind bei oralen Tumortherapien mit einem erhöhten Risiko für QT-Intervall-Verlängerungen bevorzugt einzusetzen?

Nachfolgenden finden Sie eine Übersicht häufig eingesetzter Antiemetika, eingeteilt nach Ihrem Risiko für die Verlängerung des QT-Intervalls und dem Auftreten von Torsade de Pointes-Arrhythmien (TdP). Diese Einstufung soll Sie bei der Auswahl eines geeigneten Antiemetikums unterstützen.

Zusätzlich sind stets individuelle Faktoren zu berücksichtigen, insbesondere:

  • Eigenschaften der Tumortherapie (z.B. emetogenes Potential)
  • Patientenindividuelle Risikofaktoren, Symptomatik
  • Faktoren, die das Risiko für QT-Intervall-Verlängerungen beeinflussen können (z.B. kardiale Vorerkrankungen, weibliches Geschlecht, Begleitmedikationen)

Zur Reduktion des Risikos lebensbedrohlicher TdP-Arrhythmien, sollten folgende Maßnahmen beachtet werden:

  • regelmäßige Kontrollen und – falls nötig – Korrekturen der Serumelektrolyte (insb. Magnesium, Kalium)
  • EKG-Kontrollen mit Bestimmung der QT-Zeit (QTc) vor Beginn sowie ggf. im Verlauf der Therapie (abhängig vom individuellen Risiko und der initialen QTc-Zeit)
  • Aufklärung der Patienten über mögliche Symptome einer QT-Intervall-Verlängerung (z.B. Palpitationen, Synkope) sowie Hinweise zu besonderer Vorsicht / Kontaktaufnahme bei Situationen, die Elektrolytstörungen begünstigen (z.B. Diarrhö, Erbrechen, Beginn/Änderung einer diuretischen Therapie)

Antiemetika, die eingesetzt werden können (kein / geringes Risiko für QT-Intervall-Verlängerung / TdP):

  • Dopamin-Rezeptor-Antagonisten: Metoclopramid (MCP), Olanzapin
  • Glukokortikoide: Dexamethason
  • Neurokinin-1-Rezeptor-Antagonisten: Aprepitant, Fosaprepitant → Interaktionen beachten (moderate CYP3A4-Hemmung)!

Mit Vorsicht einzusetzen (moderates Risiko für QT-Intervall-Verlängerung / TdP):

  • 5-HT3-Rezeptor-Antagonisten: Granisetron, Palonosetron
  • Neurokinin-1-Rezeptor-Antagonisten: Netupitant (wegen Fixkombination mit Palonosetron)

Zu vermeiden (hohes Risiko für eine QT-Intervall-Verlängerung / TdP):

  • Dopamin-Rezeptor-Antagonisten: Domperidon
  • 5-HT3-Rezeptor-Antagonisten: Ondansetron (Risiko bei intravenöser Anwendung ↑)

Quellen:

Woosley RL, Heise CW, Gallo T et al. CredibleMeds. QTdrugs List, Zugriff: 01.07.2025. https://www.crediblemeds.org

UpToDate. Acquired long QT syndrome: Clinical manifestations, diagnosis, and management. UpToDate. Wolters Kluwer. Version 34.0. Zugriff: 01.07.2025. https://www.uptodate.com

Fachinformation IVEMEND®, Oktober 2021, Zugriff: 01.07.2025. https://www.fachinfo.de

Fachinformation EMEND®, Oktober 2021, Zugriff: 01.07.2025. https://www.fachinfo.de

Fachinformation Akynzeo®, Oktober 2024, Zugriff: 01.07.2025. https://www.fachinfo.de

Antiemese bei oraler Tumortherapie

Welche Empfehlungen gibt es zum Thema Übelkeit und Erbrechen bei oraler Tumortherapie? Gibt es Wirkstoffe, bei denen eine antiemetische Prophylaxe notwendig ist?

Zur Prophylaxe und Therapie von Übelkeit und Erbrechen im Rahmen oraler Tumortherapien besteht leider nach wie vor deutlich weniger Evidenz als für intravenöse Tumortherapien. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die meist kontinuierliche Einnahme der oralen Tumormedikamente dar. Dies führt zu einer Art „Mischform“ aus akutem und verzögertem Erbrechen, was die Prophylaxe und Therapie erschwert. Zudem ist die durchgehende Einnahme von Antiemetika, wie 5-HT3-Rezeptorantagonisten, Metoclopramid (MCP) oder Kortikosteroiden, aufgrund potentieller Nebenwirkungen (u.a. Obstipation, QT-Intervall-Verlängerung, extrapyramidaler Störungen, Immunsuppression) kritischer zu sehen, als die einmalige oder kurzzeitige Gabe bei zyklischen intravenösen Therapien.

Leitlinien-Empfehlungen

Die amerikanischen NCCN-Guidelines® waren die ersten, die Empfehlungen zur antiemetischen Prophylaxe bei oraler Tumortherapie basierend auf dem emetogenen Potential der Wirkstoffe formulierten. Diese basieren mangels Evidenz in größten Teilen auf einem Expertenkonsens. Inzwischen geben auch die deutschen Leitlinien (S3 Leitlinie ‚Supportive Therapie onkologischer PatientInnen‘, Onkopedia) vergleichbare Empfehlungen.

Wie bei intravenöser Chemotherapie erfolgt die Auswahl der antiemetischen Prophylaxe basierend auf dem emetogenen Potential der eingesetzten Wirkstoffe und patientenindividuellen Risikofaktoren (z.B. weibliches Geschlecht, junges Alter, Vorerfahrung mit Emesis, Reiseübelkeit etc.):

Moderat / hoch emetogene Wirkstoffe (Risiko für Erbrechen ohne Prophylaxe ≥ 30%):

Primärprophylaxe über 7 Tage:

  • 5-HT3-Rezeptorantagonist Tag 1-7: z.B. Granisetron 1 mg 1-2 x täglich oder 2 mg 1-0-0 oder 3,1 mg/24 h transdermal, Ondansetron 8 mg 1-2 x täglich
  • Dexamethason 4-8 mg 1-0-0 an Tag 1-3
  • Einnahme etwa 30 Minuten vor der oralen Tumortherapie

Ab Tag 8:

  • Auslassversuch, um zu prüfen, ob in der Folge eine antiemetische Bedarfsmedikation ausreicht
  • Bei Übelkeit/Erbrechen nach Auslassversuch Primärprophylaxe erneut beginnen

Die amerikanische NCCN-Guideline® empfiehlt abweichend nur 5-HT3-Rezeptorantagonisten als Primärprophylaxe, jedoch kein Dexamethason. Zudem wird hier Olanzapin (2,5 – 10 mg vor dem Zubettgehen) als Alternative zu den 5-HT3-Rezeptorantagonisten angegeben (Off-label-Use).

Minimal / gering emetogene Wirkstoffe (Risiko für Erbrechen ohne Prophylaxe < 30%):

  • Antiemetische Bedarfsmedikation: z.B. MCP oder 5-HT3-Rezeptorantagonist
  • Bei patientenindividuellen Risikofaktoren Primärprophylaxe erwägen, z.B.:
    • MCP 10 mg 1-1-1 an Tag 1-7 oder
    • 5-HT3-Rezeptorantagonist an Tag 1-7 oder
    • Dexamethason 4 mg 1-0-0 an Tag 1-3

⇒ Eine antiemetische Prophylaxe ist somit bei moderat / hoch emetogenen Wirkstoffen insbesondere zu Therapiebeginn empfehlenswert.

Beispiele für häufig eingesetzte orale Tumortherapeutika mit moderatem bis hohem emetogenem Potential laut S3-Leitlinie:

  • CDK4/6-Inhibitoren: Abemaciclib, Ribociclib
  • PARP-Inhibitoren: Niraparib, Olaparib, Rucaparib
  • BCR-ABL-Inhibitoren: Bosutinib, Imatinib

Die vollständige Wirkstoffliste finden Sie hier: S3 Leitlinie ‚Supportive Therapie onkologischer PatientInnen‘ bzw. bei Onkopedia

Übrigens:

Einige orale Tumortherapeutika sind mit einem Risiko für QT-Intervall-Verlängerungen assoziiert. Dies sollte bei der Auswahl des Antiemetikums berücksichtigt werden.

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in unserem FAQ-Beitrag ‚Antiemetika und QT-Intervall-Verlängerung‘.


Quellen:

National Comprehensive Cancer Network. NCCN Guideline Antiemesis. Version 2.2025. https://www.nccn.org

Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen. Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF). Langversion 2.0, 2025. Zugriff: 02.07.2025. https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/supportive-therapie/

Antiemese bei medikamentöser Tumortherapie. Onkopedia. Mai 2021. Zugriff: 02.07.2025. https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/antiemese-bei-medikamentoeser-tumortherapie/@@guideline/html/index.html