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Capecitabin und PPI

Das Interaktionspotential von Kinase-Inhibitoren und Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) ist bekannt. Aber wie ist die Datenlage bei Capecitabin? In der Fachinformation findet man keine Hinweise auf eine Interaktion, einige Interaktionschecks warnen vor der Kombination mit PPI, andere nicht. Wie ist die klinische Relevanz einzuschätzen?

Mehrere retrospektive Analysen konnten zeigen, dass Patienten die gleichzeitig einen PPI und Capecitabin einnahmen, ein signifikant schlechteres Outcome hatten [1-6].

Je nach Studie konnten negative Einflüsse auf das progressionsfreie Überleben, das rezidivfreie Überleben oder das Gesamtüberleben gezeigt werden. Die Untersuchungen wurden in verschiedenen Tumorentitäten (u.a. kolorektales Karzinom, Magenkarzinom), mit unterschiedlichen Therapieintentionen (adjuvante, palliative Therapie) sowie verschiedenen Therapieprotokollen (Capecitabin allein, verschiedene Kombinationstherapien) durchgeführt. Die Definition des „gleichzeitigen“ PPI-Gebrauchs war ebenfalls uneinheitlich. Einige Studien ordneten Patienten nur dann der PPI-Gruppe zu, wenn sie über mindestens 20% der Therapiedauer einen PPI einnahmen. In anderen Studien war bereits eine Folgeverordnung eines PPI zu einem beliebigen Zeitpunkt der Therapie ausreichend für eine Zuordnung zur PPI-Gruppe und in wenigen Fällen ist das Vorgehen methodisch nicht beschreiben.

Limitationen der bisherigen Untersuchungen

Bei allen Untersuchungen handelt es sich um retrospektive Analysen, die für diese Art der Fragestellung nicht primär konzipiert wurden. So ist beispielsweise denkbar, dass Patienten die PPI einnehmen häufiger polymediziert oder multimorbid waren, was das schlechtere Outcome ebenfalls erklären könnte. Um dies zu adressieren führten einige Studien neben univarianten auch multivariante Analysen durch, in denen die Effekte auf mögliche Kofaktoren wie z.B. Alter, Geschlecht, Erkrankungsstadium oder Allgemeinzustand adjustiert wurden. In einigen Untersuchungen bestätigte die multivariante Analyse die signifikanten Effekte, in anderen war dies nicht der Fall oder nur für einzelne Endpunkte (z.B. das progressionsfreie Überleben, nicht jedoch das Gesamtüberleben).

Zusammenfassend kann festhalten werden, dass es trotz dieser Limitationen ernst zu nehmende Hinweise auf einen möglichen negativen Einfluss von PPI auf die Effektivität von Capecitabin gibt. Zu diesem Schluss kam auch eine aktuelle Metaanalyse [7].

Mechanismus der potentiellen Interaktion

Zunächst wurde angenommen, dass ein durch PPI bedingter Anstieg des Magen-pH-Wertes die Löslichkeit und somit die Resorption von Capecitabin reduziert – ein Mechanismus, der bei vielen Kinase-Inhibitoren bekannt ist. Eine der oben zitierten retrospektiven Untersuchungen verglich Patienten mit kolorektalem Karzinom, die entweder das FOLFOX-Schema (intravenöses 5-Fluorouracil) oder das CapeOX-Schema (Capecitabin als orales 5-FU-Prodrug) erhielten [4]. Ein signifikant kürzeres redizivfreies Überleben bei gleichzeitiger PPI-Einnahme zeigte sich ausschließlich in der CapeOX-Gruppe, nicht aber bei intravenöser Gabe von 5-FU in der FOLFOX-Gruppe. Diese Studie bekräftigt den zunächst vermuteten Mechanismus der Interaktion.

In-vitro Untersuchungen und klinische pharmakokinetische Studien konnten die Hypothese der reduzierten Löslichkeit und Resorption jedoch nicht bestätigen. So zeigte z.B. eine prospektive, randomisierte Cross-Over Studie sogar einen etwa 20%igen Anstieg der Bioverfügbarkeit von Capecitabin bei gleichzeitiger Gabe von Esomeprazol [8]. Auch Antazida beeinflussen die Resorption von Capecitabin nicht negativ, diese Information ist sogar in der Fachinformation von Capecitabin enthalten [9]. Falls PPI einen Einfluss auf die Wirksamkeit von Capecitabin haben, scheint dieser nicht über die Resorption vermittelt zu sein, sondern eher pharmakodynamischer Natur.

Fazit

Basierend auf der aktuellen Datenlage kann ein negativer Einfluss von PPI auf die Wirksamkeit von Capecitabin nicht ausgeschlossen werden. Die Indikation für einen PPI sollte daher bei gleichzeitiger Capecitabin-Therapie in jedem Fall kritisch hinterfragt und der PPI bei fehlender Indikation konsequent abgesetzt werden.

Bei säureassoziierten Beschwerden unter Capecitabin, sollten bevorzugt kurzwirksame Antazida eingesetzt werden. Ob H2-Rezeptor-Antagonisten bei stärkeren Beschwerden eine sichere Alternative darstellen, geht aus der aktuellen Datenlage nicht eindeutig hervor. Da der veränderte Magen-pH-Wert vermutlich nicht ursächlich für die verminderte Wirksamkeit von Capecitabin ist, sind H2-Rezeptor-Antagonisten aus unserer Sicht eine mögliche Alternative zu PPI. Die Interaktionsdatenbanken UpToDate, MediQ sowie Stockley´s führen keine Interaktion zwischen Capecitabin und dem H2-Rezeptor-Antagonisten Famotidin auf.


Quellen:

  1. Chu MP, Hecht JR, Slamon D, et al. Association of Proton Pump Inhibitors and Capecitabine Efficacy in Advanced Gastroesophageal Cancer: Secondary Analysis of the TRIO-013/LOGiC Randomized Clinical Trial. JAMA Oncol. 2017;3(6):767-773. doi:10.1001/jamaoncol.2016.3358
  2. Sun J, Ilich AI, Kim CA, et al. Concomitant Administration of Proton Pump Inhibitors and Capecitabine is Associated With Increased Recurrence Risk in Early Stage Colorectal Cancer Patients. Clin Colorectal Cancer. 2016;15(3):257-263. doi:10.1016/j.clcc.2015.12.008
  3. Kitazume Y, Kawazoe H, Uozumi R, et al. Proton pump inhibitors affect capecitabine efficacy in patients with stage II-III colorectal cancer: a multicenter retrospective study. Sci Rep. 2022;12(1):6561. doi:10.1038/s41598-022-10008-2
  4. Wong GG, Ha V, Chu MP, et al. 2019. Effects of Proton Pump Inhibitors on FOLFOX and CapeOx Regimens in Colorectal Cancer. Clin Colorectal Cancer 18(1): 72-79. 10.1016/j.clcc.2018.11.001
  5. Kim SY, Lee JS, Kang J, et al. Proton Pump Inhibitor Use and the Efficacy of Chemotherapy in Metastatic Colorectal Cancer: A Post Hoc Analysis of a Randomized Phase III Trial (AXEPT). Oncologist. 2021;26(6):e954-e962. doi:10.1002/onco.13735
  6. Rhinehart HE, Phillips MA, Wade N, et al. 2018. Evaluation of the clinical impact of concomitant acid suppression therapy in colorectal cancer patients treated with capecitabine monotherapy. J OncolPharm Pract, 10.1177/10781552188182371078155218818237. 10.1177/1078155218818237
  7. Mohyeldeen D, Arafat W. Proton pump inhibitors reduce survival outcomes in patients treated with capecitabine: meta-analysis. Ecancermedicalscience. 2025;19:1868. doi:10.3332/ecancer.2025.1868
  8. van Doorn L, Heersche N, de Man FM, et al. Effect of the Proton Pump Inhibitor Esomeprazole on the Systemic Exposure of Capecitabine: Results of A Randomized Crossover Trial. Clin Pharmacol Ther. 2022;111(2):455-460. doi:10.1002/cpt.2444
  9. Fachinformation Xeloda®, Juli 2022. Zugriff 10.07.2025. https://www.fachinfo.de
  10. Drug Information: Capecitabin. UpToDate. Wolters Kluwer. Version 515.0. Zugriff: 10.07.2025. https://www.uptodate.com
  11. mediQ – Qualitätszentrum für Medikamentensicherheit. Zugriff: 10.07.2025. https://www.mediq.ch/
  12. Medicines Complete. Stockley´s Drug Interactions. Zugriff: 10.07.2025. https://www.medicinescomplete.com

Interaktionen mit pflanzlichen Präparaten/NEM

Meine Patientin nimmt verschiedene freiverkäufliche Präparate ein und soll mit einer oralen Tumortherapie therapiert werden. Wo findet man valide Informationen zum Interaktionspotential pflanzlicher Präparate und anderer Nahrungsergänzungsmittel?

Sofern es sich bei den pflanzlichen Präparaten um Arzneimittel handelt, sind sie meist in den gängigen Interaktionsdatenbanken gelistet. Wird dort keine Interaktion angezeigt, bedeutet das jedoch nicht zwangsläufig, dass keine Interaktionen mit oralen Tumortherapeutika zu erwarten sind. Häufig liegt es vielmehr an einer unzureichenden Datenlage.

Einige pflanzliche Arzneimittel unterliegen keiner Zulassung, sondern lediglich einer Registrierung – dies kann man an Formulierungen wie „traditionell angewendet bei…“ erkennen. Im Gegensatz zu zugelassenen Arzneimitteln sind für registrierte Produkte keine Studien zum Interaktionspotentials erforderlich.

Noch unzureichender ist die Datenlage bei Nahrungsergänzungsmitteln (NEM), die rechtlich als Lebensmittel eingestuft werden. Für diese ist weder ein Wirksamkeitsnachweis noch eine Untersuchung möglicher Interaktionen vorgeschrieben.

Interaktionen, die unserer Erfahrung nach häufig dazu führen, vom Einsatz pfanzlicher Arzneimittel oder NEM abzuraten, sind u.a.

  • CYP450-Interaktionen: u.a. Johanniskraut, Grapefruit-Extrakte, Grüntee-Extrakte (EGCG), Curcumin (insb. hoch dosiert und/oder mit Piperinzusatz zur Verbesserung der Bioverfügbarkeit), Schisandra chinensis
  • Hepatotoxische Effekte: u.a. Kava-kava, Schöllkraut, flüssige Auszüge mit hohem Alkoholgehalt → additiven Effekte mit potentiell hepatotoxischen Tumortherapien bedenken!
  • Risiko einer erhöhten Blutungsneigung: u.a. Ginkgo, bestimmte „Heilpilze“ (z.B. Reishi, Grifola), Rosskastanien-Extrakte → insb. relevant bei gleichzeitiger Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern, Antikoagulantien und/oder bei Tumortherapie-induzierter Thrombozytopenie
  • Weitere pharmakodynamische Interaktionen: u.a. Wirkverstärkung von Fluoropyrimidinen wie Capecitabin durch Folsäure / Folinsäure, die in Multivitaminpräparaten oder als Zusatz in Lebensmitteln enthalten sein kann

Diese Aufzählung ist nicht vollständig, es handelt sich lediglich um eine Auswahl häufiger Interaktionen bzw. Präparate.

Valide Informationsquellen zum Interaktionspotential pflanzlicher Präparaten und NEM

  • About Herbs, Memorial Sloan Kettering Cancer Center
  • CAM Cancer, Norway’s National Research Center in Complementary and Alternative Medicine
  • Onkopedia-Leitlinie Komplementäre und alternative Therapieverfahren, Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO)

Unabhängig vom Interaktionspotential sollte stets auch die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit von NEM hinterfragt werden. Vielen Patientinnen und Patienten ist nicht bewusst, dass für diese Produkte kein Wirksamskeitsnachweis erforderlich ist und dass auch „natürliche“ Präparate mit Risiken verbunden sein können. Zudem können die mitunter hohen Kosten eine vermeidbare finanzielle Belastung darstellen.

Evidenzbasierte Informationen zu Nutzen und Risiken solcher Produkte finden Sie z.B. in der S3-Leitlinie ‚Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen‘. Weitere Quellen zu diesem Thema finden Sie außerdem in unserer Infothek im Abschnitt Komplementärmedizin.


Quelle:

About Herbs. Memorial Sloan Ketterin Cancer Center. Zugriff: 02.07.2025. https://www.mskcc.org/cancer-care/diagnosis-treatment/symptom-management/integrative-medicine/herbs/search